Autor
Veröffentlicht am
23. Dez 2023
von David
Obwohl die Jugendschutzbestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages eindeutig und sehr streng sind, ist Spielsucht ein nicht zu unterschätzendes Problem bei Jugendlichen. Vor allem im nach wie vor stark präsenten Schwarzmarkt, der es mit dem Jugendschutz traditionell nicht so genau nimmt. Daher wurde in Berlin das sogenannte “Abgezockt – Parcours” Projekt gestartet. Bei diesem sollen Schüler spielerisch über die Gefahren des Glücksspiels aufklären, ohne jenes jedoch zu verteufeln. Vor kurzem wurde der Parcours mit Schülern der ISS Mahlsdorf durchgeführt.
Das interessante dabei: Im Parcours wird eigentlich ebenfalls gezockt. Mit Würfeln, Münzen und anderen Utensilien. Eine Station heißt beispielsweise “Rot oder Gelb?”. In dieser sollen die Jugendlichen prognostizieren, auf welcher Seite die Münze landen wird. Für jede korrekte Vorhersage notieren sie Punkte. In der anschließenden Analyse lernen sie, dass die Münze kein Gedächtnis besitzt: Die Chance für jede Seite ist – egal wie man sie im wahrsten Sinne des Wortes dreht und wendet – stets 50:50.
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Leiterin erklärt, dass Glücksspiel nicht per Se verteufelt werden soll
„Glücksspiele werden im Parcours nicht verteufelt“, erklärt Sophie Schmidt, Leiterin des Präventionsprojektes. „Wir wollen ein Bewusstsein zum Thema Glücksspiele stärken und einen Reflexionsprozess starten“. Der Parcours ist ein Teil des Projekts zur Prävention von Glücksspielsucht bei Jugendlichen und wird von der DAK-Gesundheit sowie der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege gefördert.
“Abgezockt” ist ein Pilotprojekt, das in Berlin und Niedersachsen Premiere feiert. Während in Niedersachsen Fachkräfte für Prävention zur Verfügung stehen, mangelt es in Berlin an solchen Ressourcen. Deshalb wurde der Parcours so gestaltet, dass er selbstständig ohne vorherige Schulung des Lehrpersonals durchgeführt werden kann.
Alle notwendigen Informationen und Materialien werden in einem Rucksack bereitgestellt, den die Schulen ausleihen können. In Berlin sind insgesamt 13 Rucksäcke verfügbar, jeweils einer pro Bezirk. Über das Kontaktformular auf der Webseite des Projekts können die Schulen die Materialien ausleihen und bei Bedarf individuelle Unterstützung anfordern.
Der Beginn des Programms findet gemeinsam mit dem Lehrpersonal im Plenum statt, woraufhin die Schüler mithilfe des Parcours-Hefts eigenständig die Stationen bearbeiten. „Wir wollen den Jugendlichen die Möglichkeit geben, sich mit dem Thema Glücksspiel auseinanderzusetzen“, sagt Heide Mutter, Landessuchtbeauftragte der Gesundheitsverwaltung. „Denn trotz rechtlichem Rahmen haben die Jugendlichen Kontakt zu Glücksspielen.“
Jugendliche sind bei Glücksspielen besonders gefährdet
Über die Hälfte der Jugendlichen unter 18 Jahren hat bereits Erfahrungen mit Glücksspielen gemacht. Die Abgrenzung zwischen Glücksspiel (Gambling) und digitalen Spielen (Gaming) wird zunehmend unschärfer. Besonders attraktiv für Jugendliche sind die leichte Zugänglichkeit, die scheinbar hohen Gewinnchancen bei geringem Einsatz und die interaktiven Elemente von Glücksspielen. Das Experimentieren und Erkunden neuer Möglichkeiten ist ein wichtiger Teil des Heranwachsens. Daher richtet sich der Parcours speziell an Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren.
Ein zusätzliches Risiko liegt in der Normalisierung von Glücksspielelementen. Jugendliche werden beim Gaming und in sozialen Medien regelmäßig mit Herausforderungen, dem Freischalten von Gegenständen und kleinen, direkten Belohnungen konfrontiert, die sie oft nicht als Glücksspiel wahrnehmen. Vor allem Lootboxen kamen diesbezüglich zuletzt stark in die Kritik.
„Ich habe schon mal Lotto gespielt“, erklärt ein Schüler. Dies geschah unter Erlaubnis seiner Eltern, allerdings hatte er bisher sonst keine Berührungspunkte mit Glücksspielen. Bei seinem Klassenkameraden sieht das anders aus: „Ich habe Fifa Packs gekauft“. Darin befinden sich verschiedene, zufällig ausgewählte Spielinhalte. Das sind die erwähnten Lootboxen. „Leider habe ich da die schlechten erwischt“, erklärt er jedoch betrübt.
Dennoch sind sich die Jugendlichen der Suchtgefahr bewusst. Teilweise erleben sie diese bei ihren Freunden. Viele möchten daher gar nicht erst anfangen und distanzieren sich auch von dieser umstrittenen Form des Glücksspiels.
Der Jugendschutz wird häufig durch den Schwarzmarkt umgangen
In Deutschland ist die Teilnahme an Glücksspielen laut Glücksspielstaatsvertrag erst ab einem Alter von 18 Jahren gestattet. Seit dem Jahr 2021 sind auch Online-Glücksspiele legalisiert, vorausgesetzt, die Betreiber besitzen eine deutsche Lizenz. Online-Glücksspiele bergen ein besonders hohes Risiko, da sie rund um die Uhr und unabhängig vom Standort zugänglich sind.
Zudem erleichtern zahlreiche einfache Zahlungsmethoden, die oft bargeldlos erfolgen, den Zugang und die Nutzung dieser Spiele. Die größte Gefahr für Jugendliche bildet jedoch eindeutig der illegale und unregulierte Markt. In diesem werden Alterskontrollen häufig nur lasch oder gar nicht durchgeführt. Das ermöglicht vielen Minderjährigen, am Online-Glücksspiel teilzunehmen. Neben Projekten wie dem Parcours hilft es langfristig wohl nur, das illegale Glücksspiel endlich effizient zu bekämpfen.
www.abgezockt-parcours.de