Mann im Anzug hält ein Dokument mit der Überschrift "Glücksspielstaatsvertrag" in die Kamera

Wie der Glücksspielstaatsvertrag den illegalen Markt stärkt

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Überarbeitet am
22. Jul 2024
von Timo

Der Glücksspielstaatsvertrag 2021, der am 1. Juli 2021 in Kraft trat, brachte wesentliche Änderungen im Bereich des Glücksspiels in Deutschland mit sich.

Wieso bisher überwiegend illegale Anbieter von der Neuregulierung des Glücksspielwesens profitieren, erläutert Timo Weber in seiner Kolumne.

Der neue Glücksspielstaatsvertrag soll Spieler schützen

Der Glücksspielstaatsvertrag 2021 setzt auf eine umfassende Regulierung des Marktes, um den Schwarzmarkt einzudämmen und die Integrität des Glücksspiels sowie den Spielerschutz zu gewährleisten. So zumindest der Plan in der Theorie.

Glücksspielanbieter können seitdem Lizenzen für Online-Poker und virtuelle Automatenspiele beantragen. Virtuelle Automatenspiele sind den meisten Spielern vermutlich unter den Begriffen ‚Spielautomaten‘ oder ‚Slots‘ bekannt.

Vorschriften für Glücksspielanbieter in Deutschland

Mit dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 wurden verschiedene Beschränkungen eingeführt, um das Glücksspiel in Deutschland zu regulieren:

Daneben gibt es noch zahlreiche weitere Regelungen. Beispielsweise müssen legale Online-Glücksspielanbieter zusätzlich zu einem Sperrsystem einen „Notfall-Button“ bereitstellen. Über diesen Notfall-Button können sich Spielende, z. B. bei akutem Kontrollverlust über das eigene Spielverhalten, automatisch für 24 Stunden sperren lassen.

Spieler, die bei einem legalen Online-Glücksspielanbieter spielen, sehen sich demnach zahlreichen restriktiven Bestimmungen ausgesetzt. Daher bevorzugen es viele Zocker, online bei illegalen Anbietern zu spielen. Schauen wir uns die Gründe hierfür im Detail an.

Wieso der legale Glücksspielmarkt unattraktiv ist

Mann vor Laptop mit einem Slot auf dem Bildschirm

Viele illegale Online-Casinos haben ihren Sitz bewusst in Malta, Gibraltar oder Curaçao. Von dort aus dürfen sie ihr Geschäft aus Sicht der dortigen Regulierungsbehörden weltweit betreiben. Dass diese Dienste dann verboten sind, wenn sie in Deutschland angeboten werden, schreckt die dortigen Online-Casinos nicht ab.

Zwischen 800 und 900 Seiten mit illegalen Sportwetten, Online-Casinos, Online-Poker und virtuellen Automatenspielen soll es laut der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder geben. Die Dunkelziffer dürfte vermutlich deutlich höher liegen. Täglich gibt es neue illegale Anbieter, die auf diesen lukrativen Markt drängen. Demgegenüber stehen derzeit weniger als 50 Lizenznehmer, die virtuelle Automatenspiele in Deutschland legal anbieten dürfen.

Frappierend dabei ist der Umstand, dass illegale Online-Casinos ihren Nutzern ein deutlich attraktiveres Angebot bereitstellen können als legale Anbieter. Die Gründe dafür sind vielschichtig.

Bei legalen Anbietern aus Deutschland werden auf die Einsätze in Online-Casinos Steuern in Höhe von 5,3 Prozent erhoben – ebenso hoch ist der Steuersatz bei Sportwetten. Hinzu kommen für legale Anbieter hohe Kosten für die Lizenzierung und strenge Compliance-Anforderungen. In Offshore-Jurisdiktionen wie Curaçao sind die Lizenzgebühren deutlich niedriger. Durchschnittlich kostet eine Lizenz dort nur zwischen 3.500 Euro und 10.000 Euro.

Die Auszahlungsquoten bei Spielautomaten werden meist als RTP angegeben. Die Abkürzung RTP steht für „Return to Player“ und gibt an, welcher Betrag durch Gewinne an die Spieler zurückgeht. Angegeben wird der RTP-Wert als Prozentzahl. Liegt der RTP-Wert eines Spiels bei 97 %, dann werden 97 € von 100 €, die von den Spielern eingesetzt werden, als Gewinne ausgezahlt.

Spielautomat mit Armen stützt sich auf ein Prozentzeichentergrund. 3D-Darstellung

Schauen wir uns ein konkretes Beispiel an: ‚Book of Dead‘ von dem Spielehersteller Play’n Go ist ohne Zweifel einer der beliebtesten Online-Spielautomaten. Bei illegalen Anbietern kann der Spielautomat mit einer Auszahlungsquote von um die 96 % gespielt werden. Wer den Spielautomaten bei einem legalen Anbieter mit einer deutschen Lizenz spielt, erhält eine Auszahlungsquote von nur 84 %. Wer legal spielt, wird also mit einer deutlich geringeren Auszahlungsquote bestraft, weil unter anderem das Finanzamt beim virtuellen Spielen in Deutschland ordentlich mit abkassiert. Für viele Spieler ist dies bereits Grund genug, auf den illegalen Markt auszuweichen. Wer verliert schon gerne auf lange Sicht 12 % mehr von seinem Spieleinsatz?

Tastatur mit grüner Taste mit Aufschrift "Legal" und roter Taste mit Aufschrift "Illegal"

Wer bei einem legalen Glücksspielanbieter spielt, muss zudem auf einige Annehmlichkeiten verzichten. Beispielsweise gibt es keine Autospin-Funktion bei Spielautomaten. Gerade für Personen, die längere Zeit spielen, kann dieser Umstand sehr lästig sein. Zurücklehnen und entspannt dem Spielautomaten zuzuschauen, das geht nur bei illegalen Anbietern, denn dort verfügen alle Spielautomaten über eine Autospin-Funktion. Bei illegalen Anbietern kann der Spieler zudem frei darüber entscheiden, wann die nächste Drehung ausgeführt wird. Bei legalen Anbietern gibt es jedoch die Maßgabe, dass ein Spiel durchschnittlich mindestens fünf Sekunden lang dauern muss. Das bedeutet, ein Spieler muss jedes Mal einige Zeit warten, bis er die nächste Umdrehung starten kann. Das ist ungefähr so, als würde man Besuchern auf dem Oktoberfest vorschreiben, dass nur alle 5 Minuten aus dem Bierkrug getrunken werden darf. Die Spieler sind von dieser Regelung extrem genervt.

Bei illegalen Anbietern gibt es dagegen keine Limits. Spieler können beliebig viel Geld einzahlen. Das birgt einerseits enorme Risiken, gewährt dem Spieler aber auch Autonomie. Bei legalen Glücksspielanbietern gibt es ein anbieterübergreifendes monatliches Einzahlungslimit in Höhe von 1.000 Euro.

Nach Erschöpfung des von den Spielern selbst festzulegenden monatlichen Einzahlungslimits, das einen Betrag in Höhe von 1.000 Euro jedoch grundsätzlich nicht übersteigen darf, sind darüberhinausgehende Einzahlungen vom Anbieter auf technischem Wege zu unterbinden. Das monatliche Einzahlungslimit wurde aber mittlerweile verwässert. Künftig können Spieler bis zu 10.000 Euro pro Monat einzahlen, sofern ihre „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ nachgewiesen ist. Unter bestimmten Auflagen sind sogar Limits von bis zu 30.000 Euro möglich. Für die meisten Spieler gilt aber weiterhin das Einzahlungslimit von 1.000 Euro pro Monat.

Eine weitere Limitierung bei legalen Anbietern findet bei der Höhe des Einsatzes pro Spielrunde statt. Es gibt ein Einsatzlimit von einem Euro pro Spielrunde, es darf also maximal ein Euro pro Spin gesetzt werden. Die pauschalen Limits werden den individuellen Lebensverhältnissen der Spieler jedoch nicht gerecht. Für einen Einkommensmillionär gilt das gleiche Einsatzlimit wie für eine Person mit einem geringen monatlichen Einkommen. Spieler möchten jedoch verständlicherweise frei über den Spieleinsatz pro Runde entscheiden können. Möchte also jemand beispielsweise 2 Euro pro Runde bei einem Spielautomaten setzen, bleibt derzeit nur die Möglichkeit, dies bei einem illegalen Anbieter zu tun.

Die Erhöhung des monatlichen Einzahlungslimits für Spieler, die ihre „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ nachgewiesen haben, dürfte sich weitestgehend als sinnlos erweisen. Es gibt vermutlich keinen High Roller, der bei einem in Deutschland lizenzierten Glücksspielanbieter spielen möchte. ‚High Roller‘ ist eine Bezeichnung für in Casinos agierende Spieler, die um besonders hohe Summen spielen. Selbst wenn solch einem High Roller ein hohes monatliches Einzahlungslimit gewährt werden sollte, hätte er dadurch keinen Mehrwert. Pro Spin könnte der High Roller ja maximal nur einen Euro setzen und dies auch nur alle 5 Sekunden. Pro Minute könnte ein High Roller dann maximal 12 Euro setzen, pro Stunde 720 Euro. Unter diesen Bedingungen dürften die meisten High Roller vermutlich in den illegalen Markt abwandern.

Unattraktiv ist auch das Spieleangebot bei legalen Anbietern. Die meisten legalen Online-Casinos bieten ihren Kunden deutlich weniger als 1000 Online-Spielautomaten an. Diese geringe Anzahl an Online-Spielautomaten lässt sich einfach erklären. Jedes virtuelle Automatenspiel muss von der GGL geprüft werden, bevor es online gespielt werden kann … und die Freischaltung neuer Spiele kommt nur stockend voran.

Bei illegalen Anbietern gibt es hingegen oftmals mehr als 10.000 verschiedene Spielautomaten und beispielsweise auch sogenannte Bankhalterspiele wie Blackjack und Roulette. Für legale Glücksspielanbieter gilt jedoch derzeit ein Verbot von Live-Casino-Spielen wie Roulette oder Blackjack. Spieler können bei in Deutschland lizenzierten Anbietern also hauptsächlich Slots spielen. Wem das nicht ausreicht, der muss aktuell tatsächlich mit den illegalen Anbietern vorliebnehmen.

Person mit Hoody spielt illegale Online-Glücksspiele am PC

Um neue Spieler zu werben, bieten die meisten Online-Casinos Bonusangebote und für illegale Anbieter gibt es bei der Gestaltung dieser Bonusangebote kaum rechtliche Grenzen. 

Legale Anbieter mit einer deutschen Lizenz müssen sich bei Bonusangeboten hingegen an strikte Vorgaben halten. Es gibt einen gesetzlich festgelegten Maximalbetrag für Bonusangebote. So ist laut den Nebenbestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages lediglich ein Bonusbetrag von 100 € pro Spieler und Jahr zulässig. 

Bei illegalen Glücksspielanbietern wird nicht selten ein Bonusguthaben von 200 oder gar 500 € bei einer Registrierung in Aussicht gestellt. Illegale Anbieter besitzen also gegenüber den legalen Anbietern die wesentlich besseren Instrumente zur Neukundengewinnung.

Fallzahlen beim illegalen Glücksspiel steigen

Richterhammer, Handschellen, Pokerchips und Spielkarten auf Laptop

Laut deutschem Recht ist die Teilnahme an illegalem Glücksspiel strafbar und kann eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten nach sich ziehen. Dieser Umstand ist jedoch vielen tausenden Spielern aus Deutschland nicht bekannt oder wird schlicht und ergreifend ignoriert. Bisher blieben Spieler, die an illegalem Glücksspiel teilgenommen haben, rechtlich weitestgehend verschont. Aktuell jedoch scheint die Justiz die Daumenschrauben anzuziehen.

Die Fallzahlen beim illegalen Glücksspiel beispielsweise in Bayern gehen durch die Decke, so klagen die Parteivertreter der Bündnis 90/ Die Grünen. In Bayern hat sich die Anzahl der Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit illegalem Glücksspiel in den letzten Jahren verzehnfacht: von 77 Fällen im Jahr 2019 auf 762 Fälle im Jahr 2023. Dies geht aus einer Antwort des Justizministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Landtags-Grünen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Hierbei wird deutlich, dass Bayern damit einem bundesweiten Trend folgt – auch die bundesweite Statistik zeigt einen deutlichen Anstieg.

Der legale Markt Glücksspielmarkt muss attraktiver werden

Das Kanalisierungskonzept des Glücksspielstaatsvertrages soll dafür sorgen, dass der illegale Markt in Deutschland keinen Zulauf mehr erhält. Damit solch eine Kanalisierung jedoch auch wirklich stattfinden kann, muss das legale Angebot attraktiv sein, dies ist gegenwärtig eindeutig nicht der Fall.

Neben der Schaffung attraktiver Rahmenbedingungen für legale Glücksspielanbieter muss der Spielerschutz gewährleistet sein. Dazu gehört auch, der Entstehung einer Glücksspielsucht vorzubeugen und den entsprechenden sozialschädlichen Folgen für die Betroffenen entgegenzuwirken. Eine bundesweite Sperrdatei für Problemspieler und die Bereitstellung eines „Notfall-Buttons“ sind begrüßenswerte Maßnahmen. 

Eine Gängelung der Spieler beispielsweise durch die 5-Sekunden-Regel oder das Einsatzlimit von einem Euro pro Spielrunde dürften jedoch vermutlich einer Kanalisierung in den legalen Markt entgegenwirken und die Spieler in den weitestgehend unregulierten Schwarzmarkt drängen. Davon profitieren am Ende nur windige Offshore-Gesellschaften und denen ist es gleichgültig, ob ein Spieler Ärger mit der Justiz wegen der Teilnahme an unerlaubtem Glücksspiel bekommt.

Podcast : Glücksspielstaatsvertrag - Illegales Glücksspiel - Glücksspielbehörde - Interview mit Dr. Jörg Hofmann

Glücksspiel Deutschland Podcast präsentiert von Gamblebase.com

Wir haben Dr. Jörg Hofmann, einem anerkannten Experten für Glücksspielrecht von der Kanzlei Melchers, einige spannende Fragen zum Glücksspielstaatsvertrag gestellt.

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