Die Bundestagswahl wird als vorgezogene Neuwahl am 23. Februar 2025 stattfinden. Wir von GambleBase.com haben die Wahlprogramme der großen Parteien in Deutschland – SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, AfD, Die Linke und BSW – hinsichtlich ihrer Positionen zum Thema Glücksspiel untersucht. Zudem haben wir mehr als 700 Bundestagsabgeordnete und fast 1900 Landtagsabgeordnete um eine diesbezügliche Stellungnahme gebeten.
Derzeit gibt es viele Krisenherde auf der Welt, eine Migrationsdebatte sowie eine schwächelnde Wirtschaft in Deutschland. Bei diesem drängenden Thema mag Glücksspiel wie ein Randthema erscheinen. Dennoch ist Glücksspiel von großer gesellschaftlicher Relevanz und ein immer stärker werdender illegaler Glücksspielmarkt erfordert dringenden Handlungsbedarf aus der Politik. Aus dem Umgang der einzelnen Parteien mit Glücksspiel kann man meiner Meinung nach sehr viel ableiten. Glaubt eine Partei beispielsweise an eine Eigenverantwortlichkeit von mündigen Bürgern oder möchte eine Partei Menschen bevormunden? Zeigt eine Partei Handlungswillen, wenn der illegale Glücksspielmarkt floriert?“
(Timo Weber, Head of Research bei GambleBase.com)
Die Wahlprogramme der Parteien
Grundlage der Auswertung waren die von den berücksichtigten Parteien zur Verfügung gestellten Wahlprogramme.
Position der SPD zum Thema Glücksspiel
In dem 66-seitigen Wahlprogramm der SPD findet das Thema Glücksspiel keine Berücksichtigung.
Ferner sprach der Bundestagsabgeordnete Alexander Bartz auf dem 2024 in Berlin abgehaltenen Deutschen Glücksspielkongress davon, dass das legale Glücksspielangebot zu schützen sei und die illegalen Angebote zu bekämpfen seien und dass ein sicherer Rechtsrahmen geschaffen werden müsse.
Der Bundesdrogen- und Suchtbeauftragte Burkhard Blienert von der SPD äußerte sich zu dieser Thematik dagegen mit den folgenden Worten:
Die Werbung von heute schafft die Glücksspielsucht von morgen“.
Und weiter:
Glücksspiel macht selten glücklich.“
Die Bundestagsabgeordnete Sebahat Atli schrieb uns auf Anfrage:
Weiterhin antwortete die SPD-Fraktion im Landtag NRW auf unsere Anfrage, dass die Entwicklung auf dem deutschen Glücksspielmarkt mit Sorge betrachtet werde. Die Fraktion stehe in einem intensiven Austausch mit den legalen Glücksspielanbietern und Experten, um auszuloten, wie es gelingen kann, den legalen Markt zu stärken und den Schutz der Spieler wieder zu verbessern. Hierzu wurde beispielsweise eine kleine Anfrage verfasst.
Insgesamt lässt sich sagen, dass die SPD in weiten Teilen auf einen restriktiven Ansatz beim Thema Glücksspiel setzt. Zugleich scheint in der Partei jedoch ein Verständnis dafür vorhanden zu sein, dass ein schwacher legaler Markt zu einer Stärkung des Schwarzmarktes führt.
Position der CDU/CSU zum Thema Glücksspiel
Im Wahlprogramm der CDU/CSU lässt sich ebenfalls keine Positionierung zum Thema Glücksspiel finden.
Tobias Krull, Mitglied der Arbeitsgruppe Inneres und Sport der CDU-Landtagsfraktion, hält die Forderung nach Werbeverboten allerdings für nicht zielführend. Er konstatiert, dass zugelassene Spiel- und Wettanbieter an strenge Vorgaben zu Jugendschutz und Suchtprävention gebunden sind.
Weiterhin äußert er sich zu dieser Thematik wie folgt:
Illegales Glücksspiel muss weiterhin mit der vollen Härte des Gesetzes bekämpft werden. Die Modernisierung von Strafrechtsnormen darf keine neuen Probleme bei der Verfolgung des illegalen Glücksspiels schaffen. Ein geregelter Glücksspielmarkt kann nur funktionieren, wenn illegales Glücksspiel eingedämmt wird.“ [1]
Schon 2021 bestimmte der Abgeordnete im Landtag von Nordrhein-Westfalen die Ziele der Partei folgendermaßen:
Unser Ziel ist es, Glücksspiel nicht zu verteufeln und ins Dunkelfeld zu treiben, sondern es zu kanalisieren.“[2]
Der Spieltrieb sei als Teil des menschlichen Naturells anzuerkennen, sagte das CDU-Mitglied des Landtages Mecklenburg-Vorpommern Daniel Peters 2023 im Landtag in Schwerin.
Weiterhin schrieb uns Sebastian Lechner, Mitglied des Niedersächsischen Landtags, auf eine Anfrage im Jahr 2024:
Wir als CDU Niedersachsen sind der Ansicht, dass legale Angebote gestärkt und illegale Angebote konsequent unterbunden werden müssen, um Spielerinnen und Spielern die höchstmögliche Sicherheit zu bieten.“[3]
Insgesamt scheint bei der CDU/CSU ein liberaler Umgang mit Glücksspiel gepflegt zu werden. Es herrscht in den Unionsparteien weitestgehend Konsens darüber, dass das illegale Glücksspiel bekämpft und der legale Markt gestärkt werden muss.
Position von Bündnis 90/Die Grünen zum Thema Glücksspiel
Die Partei schreibt auf Seite 96 ihres Wahlprogramms:
Den gesundheitsschädlichen Einfluss von Glücksspiel und süchtig machenden digitalen Angeboten – insbesondere auf Kinder und Jugendliche – möchten wir stärker in den Blick nehmen und wirksame Maßnahmen dagegen ergreifen.“
Konkrete Maßnahmen werden von der Partei im Wahlprogramm jedoch nicht genannt.
Am 17.06.2024 wurde von einer Gruppe von Politikern aus der Partei um den bayerischen Landtagsabgeordneten Tim Pargent und die Bundestagsabgeordnete Linda Heitmann ein Positionspapier zur Thematik veröffentlicht. Die Verfasser fordern die Einstufung von Lootboxen als Glücksspiel, ein Verbot von Spielautomaten in der Gastronomie, eine personelle Aufstockung der GGL (Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder), ein festes maximales Einzahlungslimit von maximal 1000 € pro Monat und Spieler, ein Mindestalter von 21 Jahren für den Besuch von Spielhallen und vieles mehr.
Tim Pargent spricht sich für Präventions- und Aufklärungskampagnen aus, um die Öffentlichkeit über die Gefahren des illegalen Glücksspiels zu informieren.
Insgesamt kann der Umgang der Partei Bündnis 90/Die Grünen mit Glücksspiel als restriktiv bezeichnet werden. Es soll nicht nur der illegale Markt stärker kontrolliert und eingeschränkt werden, sondern auch für den legalen Markt sieht die Partei eine stärkere und strengere Regulierung vor.
Position der FDP zum Thema Glücksspiel
Überraschenderweise findet sich auch im Wahlprogramm der FDP keine Positionierung zum Thema Glücksspiel.
Die Partei hat die Verabschiedung des Glücksspielstaatsvertrags 2021 begrüßt und spricht sich zugleich für eine Erleichterung des legalen Glücksspiels im Internet sowie der Wettannahme aus.
Der ehemalige Bundesjustizminister und Kreisvorsitzender der FDP Gelsenkirchen Marco Buschmann forderte eine Streichung von drei Paragrafen des Strafgesetzbuches zum unerlaubten Glücksspiel.
Glücksspielunternehmen wie beispielsweise die Gauselmann AG spenden regelmäßig an die FDP.
Des Weiteren sprachen sich mehrere FDP-Politiker uns gegenüber für eine Stärkung des legalen Glücksspielmarktes aus. Dirk Wedel, Abgeordneter in Nordrhein-Westfalen, schrieb:
Entscheidend ist, dass der legale Markt auch tatsächlich wettbewerbsfähig ist. Hier kann man meiner Ansicht nach auf zwei Ebenen ansetzen. Einerseits ist dies die Besteuerungsgrundlage des legalen Markts. Andererseits ist eine Debatte darüber zu führen, ob Vorgaben und Einschränkungen, die an legale Angebote gestellt werden, gelockert werden können.“[4]
Die Einstellung der FDP gegenüber Glücksspiel ist als liberal zu bewerten. Der legale Markt soll durch attraktivere Rahmenbedingungen gestärkt werden.
Position der AfD zum Thema Glücksspiel
Im AfD-Wahlprogramm findet das Thema Glücksspiel ebenfalls keine Beachtung.
Der haushaltspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag sprach sich allerdings bereits 2020 für eine Regulierung aus:
Online-Glücksspiel als Realität anzuerkennen und dessen legale Durchführung zu ermöglichen, ist ein lange überfälliger Schritt. Das Suchtpotential darf dabei nicht unterschätzt werden. Die hierbei generierten Steuern müssen jedoch endlich in Thüringen gezahlt werden und unserem Gemeinwesen zugutekommen […].“[5]
Weiterhin forderte die AfD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag in einem umfangreichen Antrag, die legalen Glücksspielanbieter zu entlasten und die kriminelle Automatenszene zu bekämpfen.
Außerdem hat sich die AfD gegen eine Streichung der Paragrafen 284 bis 287 zum illegalen Spiel ausgesprochen.
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Jan Wenzel Schmidt schrieb uns in einem persönlichen Statement:
Wir in der AfD setzen uns für eine Politik ein, die nicht auf noch mehr staatliche Kontrolle und Überregulierung setzt, sondern auf Eigenverantwortung und einen funktionierenden Wettbewerb. Nur so kann der legale Markt langfristig bestehen und der illegale Markt effektiv zurückgedrängt werden.“[6]
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die AfD das legale Glücksspiel stärken möchte. Illegale Anbieter sollen hingegen stärker verfolgt werden.
Position der Partei Die Linke zum Thema Glücksspiel
Die Linke äußert sich zum Thema Glücksspiel auf Seite 20 ihres Wahlprogramms wie folgt:
Wir wollen ein Werbe- und Sponsoring-Verbot für Tabak, Alkohol, andere Drogen sowie Glücksspielangebote einführen, begleitet von Aufklärungskampagnen zu Alkohol-, Drogen und Spielsucht. Manche dieser Suchtmittel sind gesellschaftlich weitgehend akzeptiert, aber haben gravierende Folgen. Wir wollen Spielautomaten in Gaststätten verbieten.“[7]
Ähnlich ablehnend äußerte sich Bernd Riexinger, einer der beiden damaligen Parteivorsitzenden, 2020:
Kommerzielles Glücksspiel ist praktisch immer so eingerichtet, dass der Anbieter auf lange Sicht gewinnt, die Spielerinnen und Spieler verlieren. Deshalb ist kommerzielles Glücksspiel aus meiner Sicht Abzocke und gehört so weit wie möglich unterbunden.“[8]
Die Fraktion der Partei im Landtag Mecklenburg-Vorpommern sieht im Glücksspiel-Staatsvertrag mehr Risiken als Chancen:
Ich sehe die Einigung zum Glücksspiel-Staatsvertrag sehr kritisch. Der Staatsvertrag wird dazu führen, dass das Glücksspiel im Internet, wie Online-Casinos, Online-Poker und Sportwetten, legalisiert wird. Damit wird das Glücksspiel auch in M-V noch unkontrollierbarer.“[9]
Bei der Partei Die Linke besteht die Absicht, Glücksspiel weitestgehend zu unterbinden. Es werden ein Werbeverbot für Glücksspiel und eine Stärkung der Suchtprävention gefordert.
Position der Partei BSW zum Thema Glücksspiel
Im Wahlprogramm des BSW findet sich nichts zum Thema Glücksspiel.
Ebenso lassen sich bisher keine Aussagen der Partei zum Thema Glücksspiel finden, was sicherlich auf das noch recht junge Alter der Partei zurückzuführen ist.
Im Gründungsmanifest des BSW heißt es jedoch:
Wir wollen die demokratische Willensbildung wiederbeleben, demokratische Mitbestimmung ausweiten und persönliche Freiheit schützen.“[10]
Auch wenn das Thema Glücksspiel hier nicht explizit genannt wird, ließe sich daraus ableiten, dass das BSW an die Eigenverantwortlichkeit der Menschen glaubt und eine eher liberale Haltung gegenüber dem Glücksspiel einnimmt. Dabei handelt es sich allerdings lediglich um Spekulationen aus der GambleBase.com-Redaktion.
Quellenangaben
- https://www.cdufraktion.de/2024/tschernich-weiske-krull-illegales-gluecksspiel-mit-voller-haerte-bekaempfen/
- https://www.cdu-nrw-fraktion.de/artikel/gluecksspiel-regulieren-und-nicht-ins-dunkelfeld-treiben
- https://gamblebase.com/gluecksspielstaatsvertrag-in-der-kritik-2500-politiker-zu-missstaenden-befragt/
- https://gamblebase.com/gluecksspielstaatsvertrag-in-der-kritik-2500-politiker-zu-missstaenden-befragt/
- https://afd-thl.de/2020/12/16/kiessling-gluecksspiel-regulieren-statt-zu-buerokratisieren/
- https://gamblebase.com/gluecksspielstaatsvertrag-in-der-kritik-2500-politiker-zu-missstaenden-befragt/
- https://www.die-linke.de/start/presse/detail/wirksame-kontrollen-statt-legalisierung-von-gluecksspiel-abzocke-im-internet/
- https://www.die-linke.de/start/presse/detail/wirksame-kontrollen-statt-legalisierung-von-gluecksspiel-abzocke-im-internet/
- https://www.linksfraktionmv.de/politik/aktuelles/nachrichten/detail/gluecksspiel-staatsvertrag-mit-mehr-risiken-als-chancen/”
- https://buendnis-sahra-wagenknecht.de/wp-content/themes/bsw/assets/files/BSW_Gruendungsmanifest.pdf