Mann führt Sportwetten am Tablet durch

Leben mit einer Sportwettensucht – Ein Betroffener erzählt

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Veröffentlicht am
18. Jul 2024
von David

Wenn man von Spielsucht spricht, haben die meisten Menschen Bilder von einer etwa heruntergekommenen Spielhalle im Kopf, an der Leute an Spielautomaten oder vielleicht am Pokertisch ihr gesamtes Geld liegen lassen. Selten nur denkt jemand beim Wort “Spielsucht” direkt an Sportwetten. Doch speziell in den letzten Wochen wurde das Thema Sportwetten in Verbindung mit der Fußball-EM 2024 sehr präsent.

So warnte die GGL in einem Rundschreiben bereits vorab vor den Folgen hoher Wetteinsätze, speziell bei illegalen Anbietern. Im Zuge dessen wurde auch berichtet, dass speziell Deutsche zur EM vermehrt zocken bzw. Wetten abgeben. Nun erzählt ein von Wettsucht betroffener Spieler der österreichischen Zeitung “Der Standard” von seinem Leidensweg, beginnend am harmlosen Anfang bis zu den schwerwiegenden Folgen seiner Suchtproblematik.

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Das Problem begann ganz harmlos

Es begann beiläufig mit einer Registrierung bei einem Wettportal. Zu Beginn setzte Daniel nur hin und wieder kleine Beträge und auch nur bei wichtigen Sportereignissen wie der Champions League. Diese Anfangszeit bezeichnet er als wenig dramatisch, da er weder irgendwelche großen Gewinne machen konnte noch höhere Summen verloren hat.

Dann entdeckte Daniel, dessen echter Name in dem Bericht verschwiegen wird, den Online-Casino-Bereich. Viele Wettportale bieten auch Glücksspiele wie Automatenslots oder Poker an. Obwohl Glücksspiel in Österreich streng reguliert und verboten ist, besitzen die Anbieter Lizenzen in anderen Ländern, etwa in Malta, wo auch die Server stehen. Damit hat Österreich ein ganz ähnliches Problem mit dem illegalen Glücksspiel wie Deutschland.

Doch zurück zu Daniel. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Spielern, hat er seine Leidenschaft für diese Form des Glücksspiels sehr schnell wieder abgelegt.

„Beim Online-Spiel habe ich einiges gewonnen, aber halt auch ziemlich viel verloren. Darum hab ich damit wieder aufgehört“, erklärt Daniel, der laut Standard aus der österreichischen Hauptstadt Wien stammt.[1]

Bald wurden aus kleinen Tipps hohe Einsätze bei einzelnen Spielen, plus Kombinationswetten auf verschiedene Ereignisse und ein neuer Wettanbieter ohne Limits – keine Einsatzobergrenzen, keine Begrenzungen der Wettmengen. Rückblickend gesehen wirkt die Eskalation des Spielverhaltens wie vorprogrammiert.

Bald verläuft Daniels Leben in einer Abwärtsspirale

„Ich habe gut verdient, war im mittleren Management bei einem Technikkonzern, hatte eine tolle Freundin, Familie, Freunde, eine schöne Wohnung. Das habe ich alles verloren durchs Wetten. Alles!“, erzählt Daniel dem Standard, dessen Redakteur in als sehr reflektiert beschreibt.

Doch Daniel ist in dieselbe Falle getappt wie schon so viele Wettsüchtige vor ihm. Er dachte, er könnte den Ausgang seiner Wetten aufgrund seines sportlichen Wissens beeinflussen. „Beim Fußball kenne ich mich schon ziemlich gut aus …“, erklärt Daniel. Damit ist Daniel einem Irrglauben aufgesessen, wie schon viele andere vor ihm.

Das erklärt auch Monika Lierzer, eine klinische Psychologin bei der Steirischen Fachstelle Glücksspielsucht: „Wettende sind sehr sportaffin, haben großes Detailwissen. Sie übersehen aber, wie viele Zufälle den Verlauf eines Spiels letztendlich bestimmen … Die Ereignisse werden pseudo-rationalisiert“. Gehen einzelne Wetten nicht auf, werden Gründe oft bei den Schiedsrichtern oder anderen Ereignissen gesucht, selten aber bei sich selbst.

Etwa ein Prozent der österreichischen Bevölkerung ist von Spielsucht betroffen, wobei sich etwa die Hälfte davon auf Sportwetten konzentriert. Die Dunkelziffer dürfte aber ähnlich wie in Deutschland sogar noch höher liegen. Besonders gefährdet sind junge Männer und Hobbyathleten, hauptsächlich im Alter zwischen 25 und 44 Jahren. Viele Betroffene haben einen Migrationshintergrund – dies liegt daran, dass Sportereignisse eine emotionale Verbindung zum Heimatland herstellen. Zudem spielt der Wunsch, im neuen Heimatland erfolgreich zu sein, eine Rolle. Schnelles Geld ist dabei ein entscheidender Anreiz.

Daniel rutschte in die Kriminalität ab

Als Daniels eigene finanzielle Mittel aufgebraucht wurden, endete sein Weg dort, wo der Weg von vielen anderen Wettsüchtigen ebenfalls endet: In der Beschaffungskriminalität. Auch wenn das Geld am Ende ist, ist das Verlangen zum Zocken noch da. Und genau diese Suchtdynamik hat bei Daniel voll zugeschlagen.

„Ich bin beim Spielen in einen richtigen Sog gekommen, alles andere wurde unwichtig. Und irgendwann dreht sich alles nur noch ums Geld. Zuerst hab ich mein Erspartes verspielt, dann habe ich mir bei Familie und Freunden Geld ausgeborgt. Ich habe Geschichten erfunden, warum ich das brauche, mich in ein Netzwerk aus Lügen und Erklärungen verstrickt … Ich hatte mir in der Champions-League-Gruppenphase eine vermeintlich todsichere Strategie aus Kombinationswetten zurechtgelegt und war der festen Überzeugung, dass ich aus den 25.000 Euro mindestens 500.000 € mache. Das Geld war am gleichen Tag weg.“, erklärt er dazu.

Am Ende seiner Geschichte standen für Daniel 60.000 Euro Schulden bei der Bank zu Buche, eine gerichtliche Verurteilung, seinen Job hatte er verloren, seine Wohnung ebenso und dazu kamen noch zahlreiche zerbrochene Beziehungen im privaten Umfeld aufgrund der vielen Lügen. An diesem Punkt kamen erstmals Suizid-Gedanken auf. Doch trotz all dieser Probleme hat Daniel es geschafft! Seit nunmehr einem Jahr und drei Monaten hat Daniel keine Wette mehr getätigt. Die Folgen seiner Wettsucht werden ihn noch mindestens drei Jahre beschäftigen, doch mittlerweile ist Licht am Ende des Tunnels, denn er hat auch wieder einen Job im IT-Bereich. Aufgrund seiner eigenen Geschichte möchte Daniel dabei helfen, über die Gefahren von Wettsucht, insbesondere bei unregulierten und illegalen Anbietern aufzuklären.

Den ursprünglichen Bericht aus “Der Standard” findest du hier.

Kaspars Grinvalds/shutterstock.com
Bildnummer 411421255

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