Polizisten konfiszieren Bargeld

Filmreif: Wie ein Insider die Glücksspielmafia zu Fall brachte

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Veröffentlicht am
08. Okt 2024
von David

Das illegale Glücksspiel floriert in Deutschland. Diese Meldung wird so oft gebracht, dass man das Gefühl hat, man müsste gar nicht mehr darüber berichten. Aber interessant ist dennoch oft, welche Ausmaße die Glücksspielmafia wirklich angenommen hat und auch, aus welchen Gründen ihnen Ermittler oft auf die Spur kommen.

Das hat eine gemeinsame Recherche von NDR/WDR/SZ, über die in der Tagesschau berichtet wurde, nun ergeben. Besonders besorgniserregend sind die ausgeklügelten Manipulationen, mit denen die Betreiber sowohl die Spieler als auch den Staat bzw. das Finanzamt betrügen. Doch hätten die Ermittler nicht tatkräftige Hilfe von einem Insider erhalten, würden diese wohl heute noch nichts ahnende Spieler ihr hart verdientes Geld aus der Tasche ziehen.

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Das betrügerische System der Glücksspielmafia

Über mehrere Jahre soll der professionell agierende illegale Glücksspielring mit seinen Hintermännern Spieler abgezockt haben. Und zwar in gleich 30 verschiedenen Spielhallen und Gaststätten in Berlin und Nordrhein-Westfalen! Die Geräte wurden seitens der Betreiber sorgsam manipuliert. So wurden nicht nur Einsatzlimits ausgeschaltet und die gesetzlichen Spielpausen deaktiviert, sondern die Geräte zeichneten auch nicht alle Umsätze auf.

So entgingen dem deutschen Staat nach einer Auskunft des Landgerichts Bochums, wo 4 mutmaßlichen Betreibern nun der Prozess gemacht wird, über 40 Millionen Euro an Steuergeldern. In der Reportage der Tagesschau, wo Beamte der Polizei und des Finanzamts eine Razzia in einer Spielhalle vollzogen, wurde gezeigt, dass ein einzelner Spielautomat beinahe 250.000 € eingenommen hat. Die Anwälte der 4 Angeklagten, mutmaßlichen Betreiber, wollten sich auf die Anfrage der Reporter nicht äußern. Für alle Angeklagten gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung.

Ehemaliger Investor wechselte die Seiten

Die Verantwortlichen der Glücksspielmafia hätten wohl noch auf Jahre so weitergemacht, wenn ihnen nicht die eigene Gier ein Bein gestellt hätte. Denn ein ehemaliger Investor der 30 Spielhallen hatte zuvor die Seiten gewechselt und die Ermittler mit zahlreichen Beweismitteln wie Dokumenten und Audiodateien beliefert. Laut der Tagesschau war dieser Informant der 48-jährige gebürtige Israeli Chanan Goslan.

Dieser ist selbst kein unbeschriebenes Blatt. Er kassierte über einen anderen Betrugsfall Millionen. Das erreichte er, indem er für eigentlich gesunde Rentner Leistungen bei den Kassen beantragte, die diese in Wahrheit gar nicht benötigten. Das Geld teilte er anschließend mit Komplizen. Das System lief ebenfalls einige Jahre, doch 2016 wurde Goslan dann zu 7 Jahren Haft verurteilt. An dieser Stelle beginnt seine Überschneidung zur Glücksspielmafia.

Der Informant investierte einen Millionenbetrag in die Spielhallen

Im Jahre 2010 lebte der Informant Goslan selbst noch gut durch seine eigene Betrugsmasche. Dabei überlegte er sogar umsichtig, wie er sein Geld investieren konnte. Zu seinem Pech war er nicht ganz so umsichtig dabei, in wen er es investiert. Für 1,9 Millionen Euro kaufte er laut seiner Aussage schließlich Anteile an 10 Spielhallen bei den mutmaßlichen Betreibern, die jetzt vor Gericht sitzen.

Wie er erzählt, habe er mit ihnen vereinbart, für sein Investment künftig 50.000 € pro Monat zu erhalten. Doch schon gleich zu Beginn der Abmachung habe er weniger Geld erhalten als vereinbart. Und später habe er lediglich das Gefühl gehabt, die Betreiber machen sich über ihn lustig, er fühlte sich betrogen. Doch die Mitglieder der Glücksspielmafia hatten den Betrogenen offenbar gründlich unterschätzt. Dieser schmiedete einen filmreifen Plan, um sie zu Fall zu bringen.

Wie Goslan die Glücksspielmafia zu Fall brachte

Im Jahre 2013 hatte er offenbar für sich akzeptiert, dass er über den Tisch gezogen wurde und stieg aus den Spielhallen aus. Die Glücksspielmafia dachte wohl zufrieden, sie wären ihn jetzt los. Den Reportern von NDR/WDR/SZ erzählt Goslan im Nachgang:

Ich wusste, dass ich früher oder später der Sache auf den Grund gehen würde. Ich wusste nur nicht, wie groß das Ausmaß des Sumpfs ist“[1]

Im Jahre 2020 bot er sich den Ermittlern aus dem offenen Vollzug als Informant an. Diese stellten bereits Ermittlungen über 8 Spielhallen aus dem Einflussbereich des illegalen Glücksspielrings an, wie er damals zufällig erfuhr. Und Goslan war nicht nur hilfsbereit, sondern im Vorfeld auch fleißig gewesen. So übergab er den Ermittlern 2 volle Umzugskartons voller Material. Akten, Fotos, Videos, Audio-Dateien, es war genug dabei, um den ganzen Ring zu Fall zu bringen. Erst dadurch merkten die ermittelnden Behörden, dass es nicht nur um 8 Spielhallen, sondern um über 30 ging und dass dem deutschen Finanzamt dabei ein Schaden in zweistelliger Millionenhöhe entstand. Aufgrund seiner Aussage verwanzten die Ermittler Telefone, durchsuchten zahlreiche Häuser und stellten Anzeigen gegen 9 Personen aus.

DAW und Politik reagieren – aber sehr unterschiedlich

Eine der ersten offiziellen Stellen, die reagierte, war der Dachverband der Deutschen Automatenwirtschaft (DAW). Dessen Vorstandssprecher Georg Stecker betonte erneut, wie schon so oft, dass die Regulierungen zu hart für den legalen Markt wären. Er könne schlicht nicht mithalten mit den illegalen Glücksspielanbietern. Außerdem erklärte er:

Was ich höre aus den Unternehmen ist, dass der Druck enorm ist. Gerade in den mittleren und kleinen Kommunen sind die Behörden völlig überfordert. Die erkennen nicht mal, ob ein Gerät illegal ist. Und da helfen wir mit Schulungen, die gut angenommen werden.“[2]

Einer, der das gänzlich anders sieht und dem die Regulierung gar nicht hart genug sein könnte, ist der Drogen- und Suchtbeauftragte der Bundesregierung Burkhard Blienert (SPD). Dieser machte in der Vergangenheit immer wieder mit einem hart umstrittenen möglichen Werbeverbot für legale Glücksspielanbieter von sich reden. Häufig wurde er von Experten schon mit den möglichen Folgen der harten Regulierung konfrontiert, worunter eben ein Wuchern des Schwarzmarktes fällt.

Blienert selbst konterte diese fundierten Aussagen stets mit einer altbekannten Technik der deutschen Politik – Realitätsverweigerung. Seiner Ansicht nach gäbe es keinen kausalen Zusammenhang zwischen einem schwachen legalen Angebot und einem ausufernden Schwarzmarkt, so erklärt er zum aktuellen Fall:

Die Marktstruktur bietet hervorragende Abschottungsmöglichkeiten für illegale Akteure, gepaart mit einem geringen Entdeckungsrisiko aufgrund der zurückhaltenden staatlichen Intervention.“

Dass das etwas mit einem zu schwachen legalen Spielangebot zu tun habe, weist er kategorisch ab. Es bleibt spannend, wie sich der Glücksspielmarkt in Deutschland weiterentwickeln wird. Sollte die Politik aber nicht eines Tages einlenken, wird es schwierig werden, den unaufhaltsamen Vormarsch der Glücksspielmafia aufzuhalten.

Quellenangaben

  1. https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/gluecksspiel-betrug-100.html
  2. https://casino-gesetze.de/news/deutsche-spielhallen-in-haenden-der-gluecksspiel-mafia

www.tagesschau.de

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